Montag, 20. Februar 2017

Wohin mit Annie?


Als wir uns dafür entschieden haben uns einen Hund zu zu legen, taten wir das nicht aus einer Laune heraus. Wir hatten uns das gut überlegt und waren uns dessen bewusst, dass unser Leben mit Vierbeiner weniger spontan und teilweise etwas komplizierter werden würde.

Wir lieben das Bummeln, das Reisen, das Welt-entdecken. Dennoch sind wir natürlich verantwortungsbewusst und klärten im Vorfeld ab, welches Netzwerk wir haben würden, wenn wir beispielsweise in den Urlaub wollen.

Sowohl beim örtlichen Tierheim, als auch beim Tierschutzverein über den wir letztlich Annie adoptierten, mussten wir Selbstauskunftsfragebögen ausfüllen, in denen abgefragt wurde, wohin wir den Hund geben würden, im Fall der Fälle. Ganz überheblich schüttelte ich den Kopf über Leute, die den großen Schritt der Tieradoption wagen wollten, ohne sich vorher im Klaren darüber zu sein, welches Netz greifen würde, falls man selbst nicht nach dem Tier schauen kann.

Tja - Höhenflug kommt vor dem Fall.

Mrs Wonderer meinte nämlich, hier wieder perfekt vorbereitet zu sein. So holte sie nämlich vorab den Segen der eigenen Mutter, sowie den der Schwiegermutter, Annie zu hüten, während der Wonder'schen Reisen. Außerdem sicherte sie sich schon einen Kontakt einer famililären Hundebetreuung und meinte, sie wäre nun dreifach abgesichert. Mööööp. Falsch gedacht.

Für den Spanienurlaub war geplant, dass Annie zur Schwiegermom ziehen sollte. Und damit auch alles perfekt ist, gab es vorher Kennenlern-Gassigänge, einen Schnupper-Eingewöhnungstag und zig Telefonate und Absprachen hinsichtlich der Gewohnheiten, des Futters, der Spielzeugvorlieben und allem weiteren pi pa po. Perfekter ging es nicht. Die Schwiegermutter freute sich schon wie wild auf Annie und ihr ganzer Wohnort wußte schon vom anstehenden Hundebesuch. 

Meine eigene Mutter konnte somit auch ruhigen Gewissens ihre Fortbildung in England buchen, die zur gleichen Zeit stattfinden sollte.

10 Tage vor dem Urlaub: Eine WhatsApp-Nachricht meines Mannes. "Ruf mich bitte mal an, sobald du kannst." Das klang nicht gut. War es auch nicht. Die Schwiegermutter war die Treppe hochgestürzt (ja, das gibt es). Und wie sich am nächsten Tag herausstellte, hatte sie sich dabei die Schulter gebrochen, operationsbedürftig sogar. Autsch! Die Arme! 

Nun kann man ja mit allerlei Verletzungen und Handicaps einen kleinen Hund betreuen, mit einer gebrochenen Schulter jedoch auf gar keinen Fall. 

Hüüülfe! Zwei der drei Optionen (Mutter und Schwiegermutter) fielen nun weg.

Mein Mann redete schon davon, nicht mit nach Spanien zu kommen. Und dabei bin doch ICH der Part unserer Ehe, der tendenziell eher in Panik verfällt. Doch ich tat es nicht. Aus irgendeinem Grund hatte ich in mir eine Ruhe, ein Vertrauen, dass wir die perfekte Lösung finden würden. Denn egal welche Katastrophe uns ereilen sollte - eine Haustierbetreuungskatastrophe sicher nicht, dafür hatten wir einfach schon zu viel ins Karma-Konto einbezahlt. ;-) Wir haben zwei Jahre lang einen Hund mit Liebe betreut, waren für jeden Urlaub der Verwandtschaft als Hundesitter, Schildkrötenhüter, Katzenfütterer parat, völlig ausgeschlossen, dass wir nun ausgerechnet vor einem derartigen Problem stehen sollten.

Und ich meine dies nicht in einem trotzigen Sinne à la "Pah, wir haben immer geholfen, jetzt muss auch uns geholfen werden." Absolut nicht - wir taten es ja immer gerne. Es war mehr ein klares Vertrauen in die Tatsache, dass dieses Problem nicht unlösbar war. Wie gesagt, Vertrauen und Ruhe sind nicht unbedingt die Schlagworte, die mein Wesen beschreiben. 

Ganz sachlich überlegten wir, was wir wollen und wie wir das hinbekommen sollten. Am liebsten möchten wir die Menschen gut kennen. Diese wiederum sollten so wenig wie möglich "belastet" werden durch Annie und sie sollten auch viel Zeit haben in der Woche.

Und sofort kam mir die Erzieherin unserer Kinder in den Sinn. Sie wohnt eine Straße weiter, hat selbst eine Hündin, mit der sich Annie super versteht, eine 17-jährige Tochter, die Ferien hat, wenn wir in Spanien sind und ganz viel Liebe im Herzen. Perfekt! Annie hätte sogar weiterhin ihre gewohnte Gassi-Strecke, die Tochter würde etwas Taschengeld dazu verdienen und wir hätten ein gutes Bauchgefühl.

Leider verging ein ganzer Tag, bis ich sie erreichte. Und noch bevor ich komplett ausgeredet hatte, lehnte sie ab. Uff. Ihre Tochter würde nach den Ferien Prüfungstermine haben und daher hätte sie keine Zeit für den Hund. Um ehrlich zu sein hatte ich mit einem so kategorischen Ablehnen nicht gerechnet.

Hmpf. Mein Karma-Vertrauen begann zu schwanken. Zumal nun auch wieder ein ganzer Tag weg war. 

Nun blieb noch die Hundebetreuung. Wir kannten sie nicht persönlich, hatten aber viel Gutes gelesen und alle Rahmenbedingungen klangen super. Einzelbetreuung innerhalb einer Familie mit Kind, Haus und Garten. 

Wir suchen ja gerne nach dem tieferen Sinn, und dachten nun, dass es vielleicht einfach so sein soll, dass wir jetzt auf "Geschäftsbasis" (nicht mehr von Gefälligkeitsleistung) umswitchen und so unseren Kreis erweitern. 

Am Telefon klang die Dame supernett und aufgeschlossen. Gerne würde sie uns kennenlernen wollen. AAAAAAAABER: Seit drei Tagen hatte sie nun einen eigenen Hund aus dem Tierschutz adoptiert. Einen Riesenschnauzer - unkastriert. Nundenn - babytechnisch erstmal kein Problem, Annie trägt schon ihre Bauchnarbe. 

Gerne wollten wir gemeinsam Gassi gehen, um zu sehen, wie gut die Hunde harmonieren. Allerdings auch erst wieder zwei Tage später. Aaaah, die Zeit zerann uns zwischen den Fingern und seit dem Schwiegermutter-Sturz waren die Reise-Vorfreude-Gefühle in Schockstarre gefroren. Der nahende Abflugtermin wurde sogar schon eher bedrohlich.

Um eine lange Geschichte kurz zu halten: Schon beim Gassi-Gang spürte ich ganz klar, dass das nix wird. Sobald der Schnauzer auch nur in die Nähe von Annie kam, zupfte die Frau nervös an seiner Leine und meinte immer wieder "Ohje - er wird die Kleine nie in Ruhe lassen." Es gab zu keiner Sekunde die Möglichkeit, dass die Hunde mal unter sich klar machen konnten, was geht und was nicht.

Sie wollte mir am nächsten Vormittag Bescheid geben, ob alles klappt. Bis dahin hätte sie abgeklärt, ob sie in der Woche auch Urlaub haben würde um so beide Hunde zu beaufsichtigen.

Der Vormittag kam - und nix geschah. Sie rief nicht an, sie schrieb nicht. Erst nach mehrmaligen Kontaktversuchen meinerseits kam nachmittags eine WhatsApp-Absage. Arrggh. Ich war echt stinkig. Wieso kann man nicht direkt offen und ehrlich sein und muss alles noch hinauszögern, wo doch offensichtlich die Zeit gerade unser größter Feind war.

Halbherzig durchforsteten wir das Internet nach privaten Hundebetreuungen, doch es fühlte sich so unendlich falsch an. Nein, wir wollten sie nicht zu wildfremden Menschen geben. Und es war einfach keine Zeit, Fremde zu Vertrauten zu machen. Im Zweifelsfall würden wir wirklich die Reise zu dritt antreten. 

Und dann kam sie einfach so daher - die perfekte Lösung. Sie erforderte allerdings von mir, offen einzugestehen, dass mein überhebliches Perfektionsgebahren gescheitert war und ich nun zugeben musste, dass ich Hilfe brauche. Doch diesen Preis wollte ich bezahlen - für Annie.

Ich kontaktierte die Pflegefamilie, in der sie lebte, bevor sie zu uns kam. Dort wurde sie liebevoll umsorgt, tränenreich verabschiedet, sie kannte und mochte dort die ganze Familie inklusive der beiden Hunde - perfekter ginge es doch gar nicht.

Ganz ehrlich? Ich hatte etwas Angst, da diese Familie ja mit dem Tierschutzverein in Kontakt ist und ich damals ja groß getönt hatte, dass wir perfekt organisiert sind. 

Was soll ich sagen: Sie machen es! Wir trafen uns dieses Wochenende auf einem Fest (auch Annie war dabei) und alle freuten sich. Wir freuten uns, die perfekteste aller Annie-Urlaubsfamilien "bekommen" zu haben, und die Familie freut sich darauf, Annie wieder für eine Weile bei sich zu haben. 

Danke Karma! Mein Vertrauen hat sich gelohnt. Die vergangenen Tage haben mich folgende Dinge gelehrt:

- "Perfekte Vorbereitung" gibt es nicht.
- Nicht unbedingt diejenigen, mit denen man rechnet, sind die, die da sind, wenn du Hilfe brauchst.
- Liebe geht vor Stolz.
- Manchmal muss man sich eingestehen, dass man Hilfe braucht.

Jetzt können wir uns wieder der Vorfreude widmen. Jippieh - am Freitag geht's nach Spananien (wie Jana immer singt).

So long...

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