Donnerstag, 6. April 2017

Still Wondering: Ein tierischer Gast


Donnerstag Abend. Die Stunde zwischen 18 Uhr und 19 Uhr hat es im Hause Wonderer immer in sich an den Donnerstagen. Denn da gilt es gemeinsam Abend zu essen (und das kann sich ziiiiiieeeeehen, da das Töchterlein meditative Nahrungsaufnahme zelebriert), um dann hektisch in die Sportklamotten zu springen, da ich zum Body Cross gehe. Dieses wiederum findet in einem Personal Training Studio (nennt sich Lounge) statt, welches abgeschlossen wird, wenn man zu spät kommt.

Ich war also gerade im Stadium 2 - hektisches Sportklamotten zusammensammeln - als ich es an der Türe klopfen hörte. Auch das noch… Ein Blick aus dem Fenster klärte auf - es war mein Göttergatte. Er hatte den Müll rausgebracht. Doch wieso kam er dann vor zur Haustür? Das Klopfen wurde hektischer. Einbeinig in Leggins mit Haargummi in der Hand öffnete ich die Türe.
„Schnell - gib mir Annies Leine! Da draußen auf der (Haupt-) Straße ist ein Hund!“ Huch. Nanu? Okay. Er verschwand wieder nach draußen, ich hörte quietschende Reifen und hupende Autos. 

Und dann sah ich, wie mein Mann zurück kam. Mit einem „Kalb“ an der Leine. Uff! Vielleicht klingt diese Größenbeschreibung übertrieben, doch wenn man ein 30 cm Annie-Hündchen gewöhnt ist, trifft es das doch ganz gut. Der Rüde war wohl ein Schäferhundmischling und recht aufgewühlt. Er bellte und zerrte nicht, war aber sehr unruhig.

Das Body Cross ließ ich sausen - ich konnte meine Familie jetzt unmöglich alleine mit einer mittlerweile tobenden Annie, einem unbekannten großen Hund und eben dieser Was-machen-wir-jetzt-Situation alleine lassen. 

Mein Mann erzählte, dass der Hund auf der Straße ziellos hin und her lief, Autos Vollbremsungen einlegten und ihm - in der Annahme, er sei der Halter - den Vogel zeigten.

Wir versuchten Annie und den Gast miteinander bekannt zu machen - das ging gar nicht. Die Kleine tobte und er war auch - öhm - not amused. Also sperrten wir sie mitsamt den Kindern ins Wohnzimmer während wir erst die Straße nach suchenden Herrchen oder Frauchen absuchten, in diversen Facebook Gruppen ein Foto posteten und überlegten, was wir tun sollten. Es war nur klar, dass er nicht über Nacht bleiben konnte. Spätestens in dem Moment, in dem er nach mir schnappte, als ich ihn streichelte. 

Wir informierten die regionale Tiernothilfe. Hier mal ein riesen Lob! Wie toll, dass es solche Leute gibt. Sie kümmern sich ehrenamtlich um Fälle wie diesen, um Krankentransporte, Tierrettungen usw. Echt genial - wir wären sonst aufgeschmissen gewesen. 

Während wir uns also langsam über die seltsamen, sicher wohlgemeinten Kommentare in den sozialen Medien wunderten (Auf die Idee, nachzuschauen, ob am Halsband eine Hundemarke hängt, beispielsweise sind wir auch schon selbst gekommen), kam dann auch schon bald ein Ehrenamtler der Tierrettung. Er nahm den Fall auf und wartete weiter mit uns auf seinen Kollegen, der mit einem Chip-Lesegerät kommen wollte. 

Im Wohnzimmer tobte noch immer Annie, die Kinder trauten sich nicht raus und wir fütterten den tierischen Besucher, während wir ihn jedoch immer schön angeleint ließen. Mir war ziemlich mulmig. Es ist völlig klar, unter welchen Stress der arme Kerl stand, das änderte jedoch nix an meinem Respekt vor seiner Kraft.

Der Kollege kam - leider war der Hund jedoch nicht gechipt. Mein Mann ging dann mit den beiden Herren und dem Hund in der Nachbarschaft an die Türen klingeln, ob irgendjemand den Hund kennt. Keiner. Aber viele hatten ihn schon herum irren sehen. Übrigens schrieben das auch einige in der Facebook-Gruppe unseres Dorfes.

Wieder wunderten wir uns. Wieso hatte dann nie irgendwer etwas unternommen?

Ein klassischer Streuner konnte er nicht sein. Er war gepflegt, wohlgenährt und hörte auf Kommandos. 

Letztlich nahmen die Männer der Tierrettung ihn dann mit und brachten ihn ins Tierheim. Wir hatten ein Stück weit ein schlechtes Gewissen, doch es wäre absolut unverantwortlich gewesen, ihn zu beherbergen. Außerdem war (und bin) ich der Meinung, dass das Tierheim sicher der erste Ort ist, an dem man sucht, wenn man seinen Hund vermisst. 

Und so war es auch. Am nächsten Tag erfuhren wir (wiederum über facebook), dass Rico (so heißt er dann wohl) vom Ortsrand-Bauernhof-Weingut-Aussiedlerhof ausgebüxt war. Seine Familie holte ihn noch am gleichen Tag aus dem Tierheim. Er sei wohl ein Freigänger, der aber normalerweise eher in Richtung der Felder auf Wanderschaft geht. 

Wieder Dinge, dich mich wundern lassen:
  • Wenn mein Hund Freigänger ist - warum chippe oder markiere ich ihn nicht?
  • Wenn mein Hund groß und reizbar ist - warum lasse ich ihn dann frei durch den Ort streifen?

Naja - ich bin aber nicht die einzige, die sich so viel wundert. Wie wir schnell erfahren haben, war auch die Hundehalterfamilie verwundert: „Warum habt ihr ihn nicht einfach weiterziehen lassen?“

So direkt haben sie das nicht zu uns gesagt - jedoch zu einer Bekannten hier im Ort. 

Meine Antwort: 
Weil es richtig war. Weil ich mir das für meinen eigenen Hund auch wünschen würde - dass ihn jemand in Sicherheit bringt, wenn er auf einer Hauptstraße im ZickZack läuft. Und weil ich nicht möchte, dass Unfälle geschehen. Und weil ich finde, dass große oder kleine Hunde nicht herrenlos durch die Gegend ziehen sollten. Man stelle sich mal vor, ein Kind liefe vor Angst vor dem großen Hund vor ein Auto…. Still wondering.


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